Hinweisgeberschutzgesetz in der Praxis: Unabhängigkeit der internen Meldestelle
Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) gilt mittlerweile seit über einem Jahr und bringt für Unternehmen eine Reihe von Pflichten und Herausforderungen mit sich. Im Mittelpunkt steht die Einrichtung einer internen Meldestelle, die Meldungen zu potentiellen Rechts- und Compliance-Verstößen entgegennimmt. Doch was genau bedeutet es, dass diese interne Meldestelle „unabhängig“ sein soll? Und wie lässt sich das in der täglichen Praxis – besonders in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) – umsetzen? In diesem Beitrag erfahren Sie, worauf es dabei ankommt.
Warum ist Unabhängigkeit so wichtig?
Vertrauen ist der Schlüssel für ein funktionierendes Hinweisgebersystem. Nur wenn sich Whistleblower darauf verlassen können, dass ihre Meldung objektiv geprüft und nicht von internen Interessen beeinträchtigt wird, werden sie sich eher an die interne Meldestelle wenden als an externe Behörden. Aus diesem Grund fordert der Gesetzgeber, dass die Meldestelle frei von Interessenkonflikten agiert und in ihren Entscheidungen weisungsunabhängig ist.
Das Ziel: Hinweise sollen sachlich bewertet werden können, ohne dass Unternehmen, Vorgesetzte oder Gesellschafter Einfluss auf das Ergebnis nehmen.
Was bedeutet „unabhängig“ konkret?
Laut § 15 HinSchG muss die interne Meldestelle sowohl frei von Interessenkonflikten als auch weisungsunabhängig sein. Das Gesetz sagt hierzu zwar nur wenig, es lassen sich aber zwei Kernpunkte ableiten:
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Vermeidung von Interessenkonflikten
Die Personen oder Teams, die Meldungen bearbeiten, dürfen nicht durch eigene Ziele oder anderweitige Rollen im Unternehmen in einen Konflikt geraten. Besonders kritisch kann es sein, wenn die gleiche Person z. B. zugleich im operativen Geschäft tätig ist und eigenes Fehlverhalten aufdecken müsste. Ein Interessenkonflikt kann auch durch persönliche Beziehungen, Vergütungsmodelle oder andere Faktoren entstehen. - Weisungsfreiheit
Selbst wenn die interne Meldestelle Teil der Unternehmensorganisation bleibt, darf ihr bei der eigentlichen Prüfung und Bewertung der Meldungen niemand vorschreiben, wie das Ergebnis auszusehen hat. Sie muss – ob nun als Einzelperson, Team oder externer Dienstleister – die Möglichkeit haben, frei zu entscheiden, welche Schritte nötig sind, um den Sachverhalt aufzuklären. Das schließt grundsätzlich auch Folgemaßnahmen mit ein.
Unabhängig, aber kein „Staat im Staate“
Die interne Meldestelle ist keine vollkommen abgetrennte Einheit. Sie bleibt Teil der betrieblichen Strukturen und nutzt die vorhandenen Ressourcen des Unternehmens. Das bedeutet unter anderem:
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Einbindung in bestehende Prozesse
Richtlinien zu internen Untersuchungen, Genehmigungs- und Budgetprozesse gelten auch für die interne Meldestelle. Sie kann nicht völlig unbegrenzt agieren und darf etwa nicht ohne weiteres hohe Kosten verursachen, wenn das Budget dies nicht hergibt. -
Austausch mit der Geschäftsleitung
Die Meldestelle informiert regelmäßig die Geschäftsleitung (unter Wahrung der Vertraulichkeit) über eingegangene Meldungen und die jeweils gewählten Folgemaßnahmen. Die Geschäftsleitung muss eingreifen können, falls gesetzliche Fristen nicht eingehalten werden oder grundlegende Compliance-Pflichten verletzt werden. -
Klare Grenzen bei Maßnahmen
Auch wenn die Meldestelle die Folgemaßnahmen grundsätzlich eigenständig bestimmt, sind bestimmte Prozesse wie die Einschaltung externer Behörden (z. B. Staatsanwaltschaft) meist an interne Vorgaben geknüpft. Sofern diese Vorgaben nicht die eigentliche Unabhängigkeit aushebeln (z. B. durch übertriebene Restriktionen), sind sie zulässig und sogar notwendig.
Praxisleitlinien für KMU
Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen ist es oft nicht möglich, einen eigenen „Meldestellen-Beauftragten“ vollumfänglich freizustellen. Folgende Punkte helfen bei der praxisnahen Umsetzung:
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Klare Rollenverteilung
Definieren Sie genau, welche Aufgaben die interne Meldestelle hat und welche Abteilungen sonst noch einbezogen werden können (z. B. Personalabteilung für arbeitsrechtliche Fragen). -
Unabhängigkeitsklausel
Wenn ein Mitarbeiter oder ein Team als interne Meldestelle bestimmt wird, legen Sie schriftlich fest, dass die Tätigkeit weisungsfrei und ohne Interessenkonflikte erfolgen muss. Das schafft Verbindlichkeit. -
Externe Unterstützung
Fehlt intern das nötige Fachwissen oder die Kapazität, dürfen Sie einen externen Dienstleister einbinden. Wichtig ist, dass auch dieser Dienstleister unabhängig agiert und entsprechende Vertraulichkeitsregelungen einhält. -
Interne Prozesse prüfen
Stellen Sie sicher, dass Zustimmungsvorbehalte oder Budgets nicht dazu führen, dass die Meldestelle in ihrer Arbeit faktisch blockiert wird. Gleichzeitig sollte die Geschäftsleitung weiterhin das Recht haben, Maßnahmen zu stoppen, die offensichtlich dem Unternehmen massiv schaden könnten. -
Dokumentation und Transparenz
Führen Sie Protokolle über eingegangene Meldungen und Folgemaßnahmen. Sorgen Sie dafür, dass betroffene Personen und auch die Geschäftsleitung (im Rahmen ihrer berechtigten Belange) nachvollziehen können, wie Entscheidungen zustande gekommen sind.
Fazit
Eine interne Meldestelle ist nur dann erfolgreich, wenn sie dem Grundsatz der Unabhängigkeit folgt und das Vertrauen der Mitarbeitenden genießt. Für KMU ist dies eine Herausforderung, da oft dieselben Personen verschiedene Hüte tragen. Mit klaren Richtlinien, schriftlichen Zuständigkeitsregelungen und bei Bedarf externer Unterstützung lässt sich das jedoch gut umsetzen.
So kann ein Hinweisgebersystem effektiv zu mehr Transparenz und Compliance beitragen – und damit das Unternehmen insgesamt stärken.
Vgl. Süße, „HinSchG: Die interne Meldestelle in der Praxis – Teil 1: Unabhängigkeit“, CB 2024, S. 385.
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