Hinweisgeberschutzgesetz in der Praxis: Sicherstellung der Vertraulichkeit
Wir beleuchten in diesem Teil die gesetzlichen Vertraulichkeitsvorgaben nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG). Die Vertraulichkeit ist ein zentrales Element zum Schutz sowohl der Hinweisgeber als auch der von Meldungen betroffenen und in der Meldung genannten Personen. Gleichzeitig können sich in der Praxis jedoch Situationen ergeben, in denen sich dieser Schutz als Dilemma erweist.
Warum Vertraulichkeit für ein funktionierendes System unverzichtbar ist
- Schutz des Hinweisgebers: Niemand soll Repressalien fürchten müssen, wenn er einen Verstoß meldet.
- Schutz der Betroffenen: Wer in den Fokus einer Meldung gerät oder als Zeuge genannt wird, verdient einen fairen Umgang ohne Vorverurteilungen.
- Vertrauensaufbau: Ein Hinweisgebersystem kann nur effektiv sein, wenn alle Beteiligten wissen, dass ihre persönlichen Daten sicher sind und nicht unkontrolliert weitergegeben werden.
Was regelt das HinSchG zur Vertraulichkeit?
Gesetzlicher Rahmen
- § 8 HinSchG: Dieser Paragraph legt fest, dass die Identität von Hinweisgebern sowie von Personen, die von einer Meldung betroffen sind, streng vertraulich behandelt werden muss. Dies bedeutet, dass ihre Namen und jegliche Informationen, die Rückschlüsse auf ihre Identität zulassen könnten, unter keinen Umständen ohne ausdrückliche Zustimmung preisgegeben werden dürfen. Diese Regelung ist entscheidend, um das Vertrauen in das Hinweisgebersystem zu stärken und sicherzustellen, dass Personen ohne Angst vor Repressalien Verstöße melden können.
- § 9 HinSchG: Dieser Paragraph beschreibt die spezifischen Ausnahmen, unter denen die Identität von Hinweisgebern oder betroffenen Personen offengelegt werden darf. Solche Ausnahmen treten beispielsweise in Kraft, wenn Strafverfolgungsbehörden die Offenlegung der Identität verlangen, um rechtliche Schritte einzuleiten oder fortzuführen. Darüber hinaus kann die Identität auch mit der schriftlichen Einwilligung der betroffenen Person weitergegeben werden. Diese Ausnahmen sind sorgfältig geregelt, um den Schutz der Vertraulichkeit zu gewährleisten, während gleichzeitig die notwendigen rechtlichen und organisatorischen Maßnahmen ermöglicht werden.
Wer ist geschützt?
- Hinweisgeber, die eine Meldung abgeben, sind geschützt, sofern sie nicht absichtlich oder grob fahrlässig falsche Informationen übermitteln. Dies bedeutet, dass sie in gutem Glauben handeln müssen, um den Schutz des Gesetzes zu genießen.
- Personen, die von einer Meldung betroffen sind, oft als „Tatverdächtige“ bezeichnet, fallen ebenfalls unter den Schutz, um sicherzustellen, dass sie fair behandelt werden und keine Vorverurteilungen erfahren.
- Darüber hinaus sind auch andere Personen, die in einer Meldung erwähnt werden, wie beispielsweise Zeugen, geschützt. Diese Schutzmaßnahmen sind entscheidend, um ein faires und ausgewogenes Hinweisgebersystem zu gewährleisten, das die Rechte aller Beteiligten respektiert und gleichzeitig die Integrität der Untersuchungen sicherstellt.
Was bedeutet „Vertraulichkeit“ konkret?
- Keine Namensnennung: Ohne die ausdrückliche und schriftliche Zustimmung der betroffenen Person ist es strikt untersagt, deren Namen in irgendeinem Zusammenhang zu nennen. Dies gilt sowohl für interne als auch externe Kommunikationen, um sicherzustellen, dass die Identität der Person vollständig geschützt bleibt und keine ungewollten Rückschlüsse gezogen werden können.
- Keine indirekten Hinweise: Es ist ebenso wichtig, dass keine Informationen preisgegeben werden, die indirekt auf die Identität einer Person schließen lassen könnten. Dazu gehören Details wie die Position im Unternehmen, spezifische Arbeitsaufgaben oder andere charakteristische Merkmale, die es Dritten ermöglichen könnten, die Identität der betroffenen Person zu ermitteln. Solche Informationen müssen mit der gleichen Sorgfalt behandelt werden wie der Name selbst, um den umfassenden Schutz der Vertraulichkeit zu gewährleisten.
Wo liegen die Grenzen der Vertraulichkeit?
Ausnahmen nach § 9 HinSchG
- Behördliche oder gerichtliche Anordnung: Muss die Identität offenbart werden, ist dies zulässig; i. d. R. wird der Hinweisgeber hierüber vorab informiert.
- Einwilligung: Der Hinweisgeber oder die betroffene Person stimmt schriftlich (Textform) zu.
- Erforderlichkeit für Folgemaßnahmen (z. B. interne Untersuchung):
- Beim Hinweisgeber nur zulässig, wenn zusätzlich eine Einwilligung vorliegt.
- Bei betroffenen Personen ohne Einwilligung möglich, sofern dies für die Untersuchungen oder andere Folgemaßnahmen wie Sanktionen erforderlich ist.
Bußgeldrisiken
Wer die Vertraulichkeit verletzt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Es drohen Geldbußen von bis zu 50.000 EUR (bei Vorsatz oder Leichtfertigkeit), in besonders gelagerten Fällen kann darüber hinaus auch eine höhere Geldbuße gegen das Unternehmen verhängt werden.
Praktische Herausforderungen
Interne Untersuchungen
- Schmale Gratwanderung: Schon die Weitergabe von Details aus der Meldung kann Rückschlüsse auf den Hinweisgeber erlauben. Dies kann in kleinen Unternehmen besonders heikel sein.
- Dilemma: Ohne die Identität des Hinweisgebers offenzulegen, lässt sich eine Untersuchung womöglich nicht zielführend führen. Ist der Hinweisgeber nicht einverstanden, steht die interne Meldestelle vor dem Problem, dass der Sachverhalt nicht aufklärbar ist.
- Empfehlung: Sorgfältig abwägen, welche Informationen zwingend benötigt werden, um den Vorwurf zu prüfen, und ob Einwilligungen eingeholt werden müssen.
Sanktionierung
- Pflicht der Unternehmensleitung: Illegale Praktiken abstellen, Compliance-Verstöße ahnden und Vorsorge treffen.
- Datenweitergabe an Unternehmensleitung:
- Name des Hinweisgebers: Nur mit dessen Einwilligung und wenn es für die Folgemaßnahme erforderlich ist.
- Name des Betroffenen: Weitergabe auch ohne Einwilligung möglich, wenn dies zwingend für Sanktionen oder organisatorische Maßnahmen benötigt wird.
- Praktischer Umgang: Häufig genügt die anonyme Nennung des Sachverhalts. Wo konkrete Namen jedoch nötig sind (z. B. arbeitsrechtliche Maßnahmen, Kündigungen), ist eine Offenlegung möglich.
Fazit
Die Vertraulichkeit ist neben der Unabhängigkeit das Herzstück eines wirksamen Hinweisgebersystems. Sie stärkt das Vertrauen aller Beteiligten und fördert die Bereitschaft, Verstöße intern anzugehen. Gleichzeitig erfordert sie ein hohes Maß an Sorgfalt bei der Weitergabe von Informationen – besonders, wenn sich ohne den Hinweisgeber keine zielführende Untersuchung durchführen lässt.
Für Unternehmen empfiehlt es sich, klare Prozesse zu etablieren, um in jedem Einzelfall zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Daten weitergegeben werden dürfen. Nur so lässt sich die gesetzliche Pflicht wahren und zugleich den Compliance-Verpflichtungen der Geschäftsleitung nachkommen.
Vgl. Süße, „HinSchG: Die interne Meldestelle in der Praxis – Teil 2: Sicherstellung der Vertraulichkeit“, CB 2024, S. 448.
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